Kostproben
Videoaufnahmen einer Lesung von Florian Schleburg (Universität Regensburg):
»In dieser Gegend war ich ja noch gar nie...« (S. 183): Friedhelm, Franz-Xaver und Florestan verirren sich in die Gegen des Venusbergs; mit dem beliebten Phönix-Lied
»So verängstigt, Herr Doctor?« (S. 329): Schnepperling diskutiert mit zechenden Studenten über die Spielarten der Wollust
»Schnepperling steht weit draußen auf der Tempelzinne...« (S. 540) und blickt auf sein Leben zurück – beinahe endgültig
Durch den bunten Zaubergarten wandelten
verklärte Menschen: festlich gewandet, ungläubig
dankbar, flüsterten nur, lauschten
scheu, Träumern gleich. Tänzern gleich
lächelten sie nickenden Wedeln nach, ließen
wunschlos die Augen weiden, setzten nur sachte die wühlenden
Sohlen auf die
filigrane Flur. Wo zwei schwerelose Paare sich trafen, wichen beide
beglückt,
tauschten mit graziösen Gesten englische
Grüße, sprachen noch im Weitergehen
Gutes. Rein war ihrer aller Herz; Gemeines kam denen hier nicht
über die
Lippen, und keiner fühlte sich auch nur versucht, zu seinem
Bruder »Racha!« zu sagen.
Nichts lag ihnen ferner, als urheberrechtlich geschützte
Software zu kopieren
oder einem andern nach dem Leben zu trachten.
Avaritia
war für sie ein Fremdwort. Sie legten kein falsch Zeugnis
ab; sie stahlen nicht, begehrten nicht des Nächsten Weib oder
Rind. Manche
dufteten sogar.
Ein Mägdlein in gestrickter Joppe
schleppte
beidhändig stolz sein Körblein zur Kirchen, darin auf
blütenweißem Linnen ein torpides
Teigschaf hockte. Drei grüne Lodenmäntel und ein
gefiederter Damenhut neigten sich
vor ihr: da hob sie ihr Körblein noch höher. Ein
gekrümmtes Mütterchen, das zur
Feier des Tages fleischfarbene Stützstrümpfe
gewählt, schickte sich noch gar
nicht an, die beiden Steinstufen zum Pforzich zu ersteigen, da
stürzten allbereit
drei Ordensritter in Zivil herzu, um
Lucae
14.23 zu beherzigen. Dort zwischen den Kübelpflanzen kreuzten
sich die
Choreographien zweier blühender Sippen: man verhielt, man
pries sich selig ob solch
unerwarteter Rencontre an abgeschiednem Orte; man flehte Segen herab
auf Gesundheit
und Schönheit der Gegenseite, und die Oberhäupter
gönnten einander wiederholentlich
den Anblick der jeweiligen
Alopecia senilis,
ehe sie es über sich gewannen, wieder für eine Runde
Urlaub zu nehmen. An den
Rändern des Platzes waren Polizeiautos mit lautlos rollenden
Blaulichtern
aufgefahren, und vor der gegenüberliegenden
Häuserfront stand ein bewachtes Absperrgitter.
»Florestan!« Ich schlug entzückt die
Hände
zusammen: »Ein Ävent!«
(Der Domplatz zu ⁂ am
Ostermorgen, Seite 163 f.)
»Und
überall in der Wohnung hat er seinen klebrigen Schuhpuder
verteilt.«
»So so.«
»Ganz echt. Gestunken hat
das! Wie dieses Zeugs, diese
Deobäume fürs Auto, weißt du: nur noch
Kiefernwald und
Meersalz und Sommerbrise, nicht auszuhalten! Ich hab’ alles
Mögliche probiert, um ihn wieder loszuwerden. Ich
hab’
mir z w e i CDs mit Akkordeonmusik gekauft, stell
dir vor!
Erst eine und dann noch eine. Ich hab’ ihm unsittliche
Anträge unterbreitet. Ich hab’ die Gelbwurst im
Kühlschrank deponiert, bis sie die Wände
hochkrabbelte und
schier das Rad erfand – half alles nix.«
»Mhm.«
»Bis ich angefangen hab’, seine Sachen
zu
beerdigen.«
»Mhm. — Wie,
›beerdigen‹?«
»Genau das hat er auch gesagt, hihi. Das
war sauwitzig. Das
erzähl’ ich dir noch, bevor du dein Wasser
abschlagen gehst.
Erst entschwanden nämlich nur ein paar Joghurts von
ihm.
—
D
a s Joghurt
hat der immer gesagt: ›Hast du irgendwo das Joghurt gesehen,
das
ich gestern erstand, Dirk?‹ Und noch so was... Dieser
Fatzke.«
(Dirk auf Seite 252 über
seinen Wohnungsgenossen)
»Schweig’ schtille!« machte der Kleine
seinem Zorne
Luft. »Meenst Du etwa, ich kenne nich den
Unterschied
zwischen dem berüchtigten indischen Wagenlenker Tacitus, der
seinerzeit bei Reichenberg den unschterblichen Ausschpruch ›
Alea jacta est‹
that, zu deutsch ›Alles Jacke wie Essig‹, und
eenem indianischen Feldlazareth?
Vade
hetero,
Samuelis, da haste mich noch immer nich in meinem ganzen schtillen
Heldenthum erkannt! Laß Dir denn eröffnet sein,
daß
ich damals in Waldheem sämmtliche freie Künste
höchstpersönlich procrastinirt habe, von den weniger
freiwilligen gar nich zu reden, und mich folglich als begloobigten
Specialitiker in jedwedem
Secreta
secretarium verzeechnen darf. Das macht mir so leicht
keener nach.«
(Ein sächsischer
Westmann auf Seite 295)
Ich sage euch ein Secret:
Die danzt nicht für die Gründlinge. Die sieht
euch Gründlinge gar nicht! Die danzt für sich, die
senkt sich in sich
selbst hinab, befreit sich von den Hefen dieses Abends, besinnt sich
auf das Eine hinter Allem, unzerstörbar, unbeschmitzt.
Läutert auch
mich, rettet auch mich. Erfüllt sind die Zeiten, der Friede
ist da! Weg
nun mit der Trompeuse!
Alle Jünglinge: »Enthülle den
Gral!«
Nein,
laßt ihn unenthüllt! Fürchtet ihr nicht das
übergewaltige Licht? Sucht
nicht den letzten demantnen Grund zu entdecken: ’s geht
über
Menschenkraft! Beuget die Knie mit mir am Geschwell, entweiht nicht das
Sanctum Sanctorum! Halt ein, Alflind, bleib abstrakt und intelligibel!
Schon ist vergessen, was je uns belastet, was uns befleckte, was uns
bedrängte. Vergessen das Peinliche, alles Unreinliche
abgeschüttelt im
Takt. Nichts ist verloren! Neu! Rein! Neugeboren und – nackt.
(Schnepperling vor Alflinds Schönheit, Seite 392)